BUND-Kreisgruppe Warendorf
Jetzt spenden Mitglied werden

30 Jahre Naturschutzgebiet "Füchtorfer Moor": eine Naturschutzbilanz

30. Juli 2019 | Lebensräume, Naturschutz, Stellungnahmen B-Plan

Seit drei Jahrzehnten gilt ein besonderes Interesse des BUND Warendorf der Entwicklung in den Feuchtwiesengebieten des Kreises Warendorf.

Lage des Füchtorfer Moors im Kreis Warendorf, nördlich von Sassenberg. Lage des Füchtorfer Moors im Kreis Warendorf, nördlich von Sassenberg.  (OpenStreetMap)

Über viele Jahre hatten Aktive des BUND in einer Feuchtwiesen-Arbeitsgemeinschaft mit Naturschutzbehörden und der NABU Naturschutzstaion Münsterland ihr Fachwissen eingebracht. Regelmäßig finden Arbeitseinsätze im NSG "Füchtorfer Moor" statt. Im folgenden Artikel zieht Hubert Brüggemann als langjähriges BUND-Mitglied eine Bilanz der Entwicklung dieses Gebietes. Abschließend finden Sie eine kleine Bildergalerie, die Ihnen einen weiteren Eindruck verschafft.

Das Naturschutzgebiet (NSG) "Füchtorfer Moor" – vom ehemaligen Moor ist nur die Flurbezeichnung geblieben – ist ein Knoten im Netz der Feuchtwiesenschutzgebiete des Landes NRW. Die Ausweisung erfolgte im Jahre 1987, die aktuelle Fläche umfasst 187 Hektar. Mehr als 30 Jahre nach der Unterschutzstellung stellt sich die Frage: Wie ist der aktuelle Zustand des Gebietes zu bewerten?

Als Folge der Ausweisung lässt sich durchaus eine eindrucksvolle Liste von Erfolgen aufstellen.

Beispielhaft kann auf die Entwicklung der beiden Leitvogelarten im Feuchtwiesenschutz verwiesen werden. Der Bestand des Großen Brachvogels hat sich von wenigen Brutpaaren auf 8 bis 10 erhöht. Uferschnepfen – vor 30 Jahren nicht mehr im Gebiet – brüten mit 4 bis 5 Brutpaaren in den Feuchtwiesen. Auch zahlreiche andere Vogelarten des Offenlandes, also der Flächen außerhalb von Wäldern und Siedlungen, sind zu beobachten. Hervorzuheben ist insbesondere der konstante Bestand von 4 bis 5 Paaren des Wiesenpiepers, einer im Münsterland fast ausgestorbenen Vogelart. Die ornithologischen Erfolge sind nicht zuletzt auch ein Ergebnis der seit 20 Jahren durchgeführten Maßnahmen zum Schutz von Gelegen und Jungvögeln der Wiesenvögel, organisiert von den Naturschutzbehörden und der NABU Naturschutzstation Münsterland.

Im Jahre 1987 waren fast alle Flächen in Ackerland umgewandelt. Es gab keine artenreichen Blühwiesen mehr. Das hat sich geändert. Es wurden sogar 12 Hektar Grünland dem besonderen FFH-Lebensraumtyp "Magere Flachland-Mähwiesen" zugordnet. Zahlreiche Biotope sind durch Gestaltungsmaßnahmen neu entstanden und bieten Pflanzen und Tieren einen neuen Lebensraum. Die sehr selten gewordene Sumpfschrecke, eine Heuschreckenart, die ein Indikator für artenreiche Feuchtwiesen ist, kommt an einigen Stellen in großer Zahl vor. Auf sandigen Flächen konnten sich Reste der Trocken- und Feuchtheide mit Sonnentau, Lungenenzian und anderen Pflanzen entwickeln. Zugleich bieten diese Flächen optimale Bedingungen für Insekten wie etwa Wildbienen. Größere Flächen haben inzwischen den Status von gesetzlich geschützten Biotopen. Die Situation hat sich also im Vergleich zum Zeitpunkt der NSG-Ausweisung erheblich verbessert. Es bestätigt sich immer wieder: Wenn man selten gewordenen Tieren und Pflanzen geeignete Lebensbedingungen bietet, kehren viele von ihnen rasch zurück.

Diese Erfolge rechtfertigen allerdings keine positive Gesamtbewertung.

Eine angemessene Bewertung muss sich an den Zielen orientieren, die im Jahre 1987 mit der Ausweisung verfolgt wurden. Ziel war es, auf einer Fläche von 187 Hektar nachhaltig Arten zu schützen. Die Flächengröße eines Schutzgebietes ist ein entscheidendes Kriterium. Die Anzahl der Arten, die auf den Flächen vorkommen, nimmt mit der Größe der Flächen zu, sofern einigermaßen einheitliche Bedingungen gegeben sind. Je größer, desto artenreicher. Die Mindestgröße eines Gebietes richtet sich nach den Ansprüchen der das Gebiet prägenden Leittierarten. Eine stabile örtliche Population des Großen Brachvogels, einer Leitvogelart dieses Gebietes, benötigt eine Fläche von 200 bis 250 Hektar. Abzüglich von 10 Hektar Waldflächen bietet das NSG "Füchtorfer Moor" für die Arten des Offenlandes ein Areal von 177 Hektar. Für den Großen Brachvogel ist es damit ein relativ kleines Gebiet. Es ist daher unbedingt wichtig, dass die Fläche insgesamt im Sinne des Artenschutzes genutzt wird. Gemessen an diesem Ziel ist der aktuelle Zustand des Gebietes nach mehr als 30 Jahren Entwicklungszeit als schlecht zu bewerten und zwar aus zwei Gründen.

Der erste Grund: Nur 60 Hektar stehen dem Artenschutz im Offenland zur Verfügung.

Die Karte stellt näherungsweise die Flächennutzung im Naturschutzgebiet dar. Auch bei allen Flächenangaben handelt es sich um Näherungswerte, da katastermäßig genaue Zahlen nicht zur Verfügung stehen. Aufschlussreich ist ein Blick auf die Zusammensetzung der 60 Hektar Artenschutzflächen:

  • Nur 7 Hektar Wiesen sind landeseigene Flächen, vom Land NRW gezielt zum Zweck des Artenschutzes erworbene Areale. Das ist verschwindend wenig. Zum Vergleich: Im benachbarten Naturschutzgebiet "Beelener Mark" sind es ca. 63 Hektar, im NSG "Versmolder Bruch" sogar 250 Hektar. Derartige Flächen haben zwei entscheidende Vorteile. Erstens sind sie dauerhaft für den Artenschutz gesichert. Zweitens ist es im Regelfall nur auf diesen Flächen möglich, Biotope wie Flachwasserbereiche anzulegen und andere Gestaltungsmaßnahmen durchzuführen. Das Instrument des Flächenerwerbs wurde und wird von der Landespolitik nur völlig unzureichend genutzt. Dies ist ein Hauptgrund für den schlechten Zustand des Gebiets.
  • Ungefähr 14 Hektar Wiesen sind als Kompensations- bzw. Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur an anderer Stelle entstanden. Wenn der Eingriff zeitlich unbefristet ist wie bei der Ausweisung eines Gewerbegebietes und staatliche Stellen wie etwa Gemeinden zum Ausgleich verpflichtet sind, stehen auch diese Ausgleichsflächen der Artenvielfalt dauerhaft zur Verfügung. Auch Gestaltungsmaßnahmen sind auf ihnen durchführbar. Sind jedoch Privatpersonen zum Ausgleich verpflichtet oder ist der Eingriff in die Natur befristet wie bei dem Bau einer Windenergieanlage, stehen diese Flächen nicht dauerhaft dem Artenschutz zur Verfügung. Es ist außerdem nicht möglich, diese Flächen durch Gestaltungsmaßnahmen aufzuwerten.
    Nur 2,5 Hektar im Eigentum der Stadt Sassenberg erfüllen die optimalen Voraussetzungen. Es hätten deutlich mehr sein können, wenn nicht mit Zustimmung der Naturschutzbehörden  größere,  für den Ausgleich vorgesehene Flächen der Stadt in eine entfernte Gemeinde getauscht worden wären. Dieser Vorgang war für die Naturschutzinteressierten vor Ort eine große Enttäuschung.
  • Die übrigen Flächen stehen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes dem Artenschutz zur Verfügung. Landwirte bewirtschaften diese Flächen zeitlich begrenzt mit vertraglich festgelegten Beschränkungen gegen Entschädigungen. Auch insoweit ist ein Rückblick auf die vergangene Entwicklung ernüchternd. Im Jahre 1988 waren die Entschädigungszahlungen des Landes äußerst attraktiv. Viele Landwirte schlossen Bewirtschaftungsverträge ab. Einige Jahre später kürzte das Land die Zahlungen erheblich, gleichzeitig stiegen die Pachtpreise immer weiter an. Daraufhin beendeten viele Landwirte die Verträge, ca. 20 Hektar wertvolle Wiesen wurden mit Glyphosat behandelt und wieder intensiv genutzt. Die entstandenen blütenreichen Wiesen gingen verloren. Nach einem Maximum vor 15 Jahren hat sich die dem Artenschutz zur Verfügung stehende Fläche auf das derzeitige Niveau verringert.

Der zweite Grund: Der Artenreichtum auf diesen 60 Hektar Wiesen wird durch Mängel in der Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen reduziert.

Insbesondere kleine Naturschutzgebiete benötigen eine regelmäßige Biotoppflege, weil sie sich sonst von dem Schutzziel immer weiter entfernen. Voraussetzung für die Biotoppflege ist ein in sich stimmendes Schutzkonzept. In diesem Bereich gibt es Defizite:

  • Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Flächen mit Gülle gedüngt, mit einem Herbizid behandelt oder mit Wirtschaftsgräsern nachgesät werden. Die Entwicklung dieser Parzellen wird dadurch um Jahre zurückgeworfen. Als Folge solcher Maßnahmen kann die Summe der artenreichen Wiesen nur mit ca. 45 Hektar angesetzt werden, also mit weniger als 25 % der Naturschutzgebietsfläche. Es ist die Aufgabe der Naturschutzbehörden, bei den  Flächenbewirtschaftern auf ein naturverträgliches Handeln zu achten.
  • Auf Biotopflächen in staatlicher Hand findet keine regelmäßige jährliche Pflege statt. Flachwasserbereiche wie sogenannte Blänken (kleine, flache Gewässer in natürlichen Geländemulden oder Bodenvertiefungen, die häufig nur temporär Wasser führen) müssen jährlich ausgemäht werden, das Mahdgut muss abgefahren werden. Auf diese Weise kann eine Verbuschung und Verfilzung vermieden werden, sodass die Flachwasserbereiche als Lebensraum für eine Vielzahl an Offenlandarten erhalten bleiben. Wenn das nicht geschieht, stellen diese Biotope für die Wiesenvögel u.a. keine Bereicherung sondern einen Störfaktor dar.
  • Das "Heckenproblem" wird nicht gelöst. Die Stadt Sassenberg weist landesweit gesehen eine überragend hohen Anteil an Heckenstrukturen auf. Einige wenige wachsen allerdings mitten im Wiesenvogelgebiet. Schon im Gutachten zur Ausweisung des Schutzgebietes hatte die Fachbehörde eine Reduktion der Gehölze empfohlen. Insbesondere die Uferschnepfe als Zielart des Wiesenvogelschutzes ist auf gehölzfreie, offene Wiesenlandschaften angewiesen. Soweit in der Vergangenheit Hecken entfernt wurden, hat sich das als signifikanter Gewinn für die Offenlandarten erwiesen. Einige Hecken behindern aber weiterhin die Entwicklung.
  • Ein Pflege- und Entwicklungsplan, in dem auch die vorgenannten Probleme gelöst werden, steht seit Jahren aus. Auch andere Punkte wie etwa die Pflege der Säume von Wiesen und Wegen, der Hecken und der Vorfluter bedürfen einer Lösung. Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, wie die Abfälle aus der Landschaftspflege ökonomisch günstig und umweltgerecht entsorgt werden können.

Fazit: Nach mehr als 30 Jahren ist das Gebiet in einem schlechten Zustand.

Nur etwa 45 von 187 Hektar befinden sich in einem für die Arten des Offenlandes günstigen Zustand. Das ist erschreckend wenig. Wie die Artenlisten zeigen, hat das NSG "Füchtorfer Moor" für die Wiesenvögel im Kreis Warendorf das höchste Potential. Zur Zeit sind die Vorkommen einiger Vogelarten wegen der kleinen Fläche und der Defizite in der Umsetzung allerdings so gering, das ein Verschwinden einzelner Arten jederzeit möglich ist.

Es kommt hinzu, dass es bei dem Schutz des artenreichen Grünlandes nicht um ein Randthema des Artenschutzes geht. Wie die Roten Listen zeigen, ist im Vergleich mit allen anderen Lebensräumen die Situation der im Offenland lebenden Arten am besorgniserregendsten und ganz vorne, an der Spitze der betroffenen Lebensräume, stehen die artenreichen Wiesen. Hier leben 40 Prozent aller in Deutschland auf den Roten Listen stehenden Arten. Am Donnerstag, 26. Juli 2019, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Nach Ansicht der EU versagt die Bundesregierung beim Schutz von artenreichen Wiesen und verstößt damit gegen EU-Recht. Wenn die Bundesregierung nicht innerhalb von zwei Monaten konkrete Lösungen für einen besseren Wiesenschutz auf den Tisch legt, drohen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und hohe Strafzahlungen.

Im Artenschutz gibt es Modethemen. Zur Zeit ist es das Thema "Blühstreifen". Blühstreifen sind ein Gewinn für das Landschaftsbild. Für den Artenschutz haben sie dagegen nur eine Randbedeutung, weil sie die Ansprüche der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten nicht ausreichend erfüllen. Mit der Schaffung artenreicher Wiesen wird dagegen ein Kernproblem angepackt.  

Wie können die Verhältnisse verbessert werden?

Eine Schlüsselstellung kommt den Naturschutzbehörden zu. Zum einen haben sie es in der Hand, die vielen Mängel in der Umsetzung zu beheben. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, dass Kompensationsflächen in das Schutzgebiet getauscht werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Unterstützung durch die Politiker der Stadt Sassenberg. Als Eigentümerin beträchtlicher landwirtschaftlicher Flächen hat die Stadt erhebliche Einflussmöglichkeiten. Das Land NRW muss durch die Bereitstellung von Geld den Ankauf von Flächen fördern. Von entscheidender Bedeutung ist zudem die EU-Landwirtschaftspolitik. Wenn ein Teil der Milliarden-Fördergelder gezielt für den Artenschutz ausgegeben würde, träte nicht nur eine Verbesserung in diesem kleinen Schutzgebiet ein, sondern in weiten Teilen des Landes.

Zur Übersicht